
Denken wir an einen Kriegsfilm, der den zweiten Weltkrieg behandelt, denken wir an Der Soldat James Ryan. Wir denken an die Geschichte einiger Soldaten, die in Frankreich ausziehen einen Mann zu retten. Dabei Wird aufopferungsvoll und glorreich gekämpft. Das Der Soldat James Ryan mehr Actiondrama als (Anti-)Kriegsfilm ist, war für mich schon immer mein größter Kritikpunkt am gesamten Genre. Krieg ist in der Realität weit weg von stilisierter Action, egal wie blutig sie nun dargestellt wird. Nolan wagt mit Dunkirk eine recht unexplizite Gewaltdarstellung und schafft auch damit einen Kriegsfilm, der im Gedächtnis bleiben wird.
An den Stränden Frankreichs tobt der Rückzugskampf
Die Geschichte ist schon eine weit unheroischere. Wieder ist das Thema Rettung, doch diesmal geht es darum, dass 1940 etwa 380.000 Soldaten im Nordfranzösischen Dünkirchen von Kräften der Wehrmacht eingekesselt wurden. Mit allen Kräften versucht man die Britischen und französischen Soldaten per Seeweg zu evakuieren, doch der Hafen ist verloren und nur noch die Ostmole kann genutzt werden. Unermüdlich fliegt die Luftwaffe Angriffe auf die eingekesselten Soldaten. Die Verzweiflung ist groß, denn in diesem Moment wird nicht nur das Schicksal Frankreichs, sondern auch Britanniens entschieden. Vor diesem Hintergrund präsentiert Christopher Nolan verschiedene Schicksale und Blickwinkel. Einen lässt er dabei ganz bewusst außen vor: den Blickwinkel der Wehrmacht. Der damals ergangene Haltebefehl wird nur zur Randnotiz, aber anders als bei anderen Kriegsfilmen wird hier nicht der Wehrmachtssoldat zur diabolischen Identifikationsfigur. Der Feind wird zur gesichtslosen, unfassbaren Bedrohung.

Symbiose aus Authentizität und Kunst
Hier geht es nicht um die möglichst verständnisvolle Darstellung aller Beteiligten sondern eine authentische Darstellung der emotionalen Lage der Soldaten. Und Obwohl uns keine Vorgeschichten dieser Männer bekannt sind, können wir empathisch mit Ihnen fühlen. Das liegt sowohl am grandiosen Schauspiel aller Beteiligten, als auch an der unfassbar guten Soundkulisse. Selten klangen Jagdflieger so bedrohlich wie in diesem Film. Auch wenn Dunkirk blutige Sequenzen vollends fehlen, ist man fast die gesamte Zeit an den Kinositz gefesselt. Aufgrund der Inszenierung wirken die Bilder im gleichen Maße authentisch wie kunstvoll. Die Handlung ist dabei in einem Punkt ganz anders als in anderen Kriegsfilmen. Im Kriegsfilm wird Gewalt schnell glorifiziert.
Sei es das zerstören eines Panzers oder das erfassen eines Scharfschützen. Gewalt in seiner Form der Konfliktlösung wird auf der Leinwand und dementsprechend von den Zuschauern positiv wahrgenommen (damit ist keine wesensverändernde Wahrnehmung gemeint, sondern lediglich eine momentane, die sich auf den Film beschränkt). Die Pathosgeladenen, glorreichen Momente, die auf der Leinwand bejubelt werden sind, bis auf eine Ausnahme, ganz andere. Glorreich ist hier die Rettung. Das Risiko der zivilen Schifffahrer, die unbewaffnet nach Dünkirchen fuhren um die Soldaten vor der Gefangenschaft zu retten. Einer Lösung durch Gewalt könnte man sozusagen eine Lösung durch Menschlichkeit entgegenstellen und das verschafft Dunkirk eine ganz besondere emotionale Stimmung. Im Vergleich zu den actiongeladeneren Genrevertretern verlässt man den Kinosaal hier mit einer ruhigen Achtung, anstatt einer energetischen Begeisterung.
